Der Gelbe Ball

aufgefangen von:
Anke Heiden

Datum: Juli 2014

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Folge 10:

Anke Heiden hat ihre beruflichen Visionen umgesetzt. Als Lehrerin und Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Kindern träumte sie von einer Schule, in der Kinder ohne Leistungsdruck gemeinsam  lernen und mit Freude in die Schule gehen.

Im Jahr 1994 gründete sie mit anderen Eltern die an der Montessoripädagogik orientierte „Aktive Naturschule“  in Prenzlau im Landkreis Uckermark, eine freie Schule für selbstbestimmtes Lernen und Leben. Der aus einer Elterninitiative entstandene Verein Freie Schule Prenzlau e.V.  ist Schul- und Kitaträger. Die Kinder können hier die Schule vom 1. bis zum 10. Lebensjahr besuchen, manche haben hier auch schon die Kita besucht.

Der Leitgedanke der Schule ist, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeit und in ihren Fähigkeiten zu stärken und gleichzeitig ein soziales Gefühl für Gemeinsamkeit zu fördern. Die Pädagogen/innen stehen den Kindern dabei als zugewandte, achtsame Begleiter/innen und Berater/innen bei , die Welt in ihren Zusammenhängen auf ihre individuelle Weise zu entdecken und zu verstehen. Die Bildungswege und Abschlüsse der Aktiven Naturschule sind gleichwertig zu denen staatlicher Schulen. Als Schulleiterin ist Anke Heiden von Anfang an dabei und blickt gern auf die Entwicklung von damals bis heute zurück.

Zu Beginn des Interviews führt Frau Heiden uns durch die atmosphärischen Klassenräume, die mit Pinnwänden, Tischen und Stühlen in kleinen Kreisgruppen, mit vielen bunten Materialien, sowie mit ruhigen Kuschelecken ausgestattet sind und zum Lernen geradezu einladen.

 

Frau Heiden, Sie bekamen den Ball zugespielt von Rike Schulz, die als freiberufliche Wendo- Trainerin an Ihrer Schule Gruppenarbeit mit Mädchen anbietet. Rike Schulz ist begeistert von der Aktiven- Naturschule und möchte wissen, welche Rolle der Kinderschutz bzw. der Umgang mit Kindeswohlgefährdung in ihrem spezifischen Konzept spielt?

Kinderschutz spielt natürlich eine Rolle, wenn auch nicht vordergründig. In der Schule steht das Kind im Mittelpunkt. Eine unserer wichtigen Aufgaben als Pädagogen  ist es, die Kinder zu beobachten. Diese Beobachtungen werden in Entwicklungsbögen für jeden einzelnen Schüler festgehalten. So merken wir sehr schnell, wenn es einem Schüler nicht gut geht. Auch über das „Soziale Lernen“ haben wir einen guten Zugang zu den Schülern. Ein Beispiel dafür ist die „Schülerversammlung“ in der Grundschule. Die Kinder lernen hier von Anfang an, über ihre Sorgen und Ängste zu sprechen. Es gibt für jedes Kind auch einen Vertrauenslehrer, an den es sich wenden kann. Elterngespräche finden regelmäßig und unabhängig von problematischen Situationen statt, die Einbeziehung der Eltern ist ein wichtiger Teil unseres Gesamtkonzepts.  All das hat ja präventiven Charakter, aber ermöglicht uns auch, im Falle einer Kindeswohlgefährdung zu reagieren.  Angebote, wie das Wendo – Training, sind ebenfalls Methoden, Kinder im Vorfeld zu schützen, indem wir sie stärken.

 

Wo sehen Sie allgemein eine wichtige Entwicklung oder ein Thema im Kinderschutz?

Die Möglichkeit einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Jugendamt sehe ich als ein wichtiges Thema für gelingende Kinderschutzarbeit.

In der Uckermark kann ich mich hier nur auf Fallbeispiele beziehen und diese habe ich als positiv und unterstützend erlebt. So erfolgten die fallbezogenen Lösungen in gemeinsamer Beratung bzw. im Fachaustausch mit dem Jugendamt und immer im Sinne des Kindes.

Auch die Vernetzung mit anderen fachlichen Einrichtungen, die uns als Lehrer beraten können, sehe ich als eine gute Rahmenbedingung in der Kinderschutzarbeit. Hier möchte ich die Familienberatungsstelle „Lichtblick“ in der Stadt Prenzlau nennen, an die wir uns jeder Zeit wenden können, wenn der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung besteht. Aber auch bei anderen Unsicherheiten oder Sorgen, wie zu Entwicklungsauffälligkeiten eines Kindes und zu allen psychosozialen Fragen, stehen die Familien- und Erziehungsberater uns mit fachlicher Kompetenz zur Seite. Die EFB ist zudem eine vertrauensvolle Adresse, die wir Eltern bei Erziehungsfragen oder – problemen mit gutem Gewissen weiter empfehlen. Solche Anlauf- und Beratungsstellen würde ich mir noch mehr wünschen, gut verteilt im Landkreis, damit die Eltern diese unkompliziert erreichen können.

 

Wie reagieren Sie bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an ihrer Schule? Was sind an ihrer Schule wichtige Entwicklungen.

Im Fall, dass wir eine Kindeswohlgefährdung bei einem Kind vermuten oder erkennen, wenden wir uns an die Familien- Beratungsstelle „Lichtblick“ oder an das Jugend- oder Schulamt. Gemeinsam beraten wir dann über die weitere Vorgehensweise. Die fachliche Beratung und der „Außenblick“ sind dabei sehr hilfreich für uns. Manchmal fühlt man sich ja einfach nur unsicher.  Aber im Vorfeld sprechen wir natürlich den Eltern gegenüber unsere Sorgen an. Dafür sind durch die regelmäßige und  intensive Elternarbeit an unserer Schule gute Voraussetzungen geschaffen. Wir kennen die Eltern ja meist schon über eine lange Zeit. Meistens zeigen sich die Eltern auch motiviert, positive Veränderungen anzugehen und Lösungen werden gefunden. Zudem finden für unser Team wöchentliche Teamsitzungen für einen fachlichen Austausch statt. Die regelmäßigen Supervisionen bieten den Kollegen/Innen zudem Raum, über aufkommende Sorgen oder Unsicherheiten zu reflektieren.  Die Teilnahme an Fortbildungen  machen unsere Lehrer auch im Kinderschutz handlungssicher. Für unsere Schüler bieten wir Präventionsprojekte an, speziell für die Jungen und für die Mädchen. Kinder im Vorfeld zu schützen und gegen Übergriffe zu stärken, ist eine wichtige Aufgabe im Kinderschutz.

 

Gibt es ein besonderes Ereignis in Ihrer Arbeit, an welches Sie sich gern zurück erinnern? Oder etwas, was Veränderungen bewirkt hat?

Ich habe immer wieder Kontakt zu ehemaligen Schülern und alle sind einen tollen, wenn auch nicht immer geradlinigen Weg gegangen. Ich erlebe sie als selbstbewusste Erwachsene. Darüber freue ich mich sehr. Viele haben im Anschluss auch ein Auslandsjahr gemacht und neue Erfahrungen gesammelt. Ja, besonderes Ereignisse gibt es immer wieder, z. Beispiel die Verabschiedungsfeier unserer 10. Klässer.
Für jeden einzelnen Schüler gibt es einen sehr persönlichen Rückblick auf die Schulzeit, der Mentor hält hierzu eine kleine Rede. Das ist immer ein sehr berührender Augenblick. Dazu bekommt jeder ein kleines Geschenk.
Als ein besonders schönes Erlebnis fällt mir auch noch unsere letzte Projektarbeit im Sommer 2013 ein, die archäologischen Ausgrabungen auf der Klosterinsel Seehausen. Mit Begeisterung haben die Schüler der Grund- und Oberschule zusammen richtig „geackert“. Die Fundstücke der Burgwallinsel aus der Slawenzeit wurden in einer Ausstellung präsentiert. Es hat allen viel Spaß gemacht und den Gemeinschaftssinn unserer Schüler gestärkt.

 

Ein Blick in die Zukunft – Was würden Sie sich im Hinblick auf ihre Arbeit wünschen? Und was wünschen Sie sich für eine Weiterentwicklung im Kinderschutz?

Mein persönlicher Wunsch ist es, dass viele junge Menschen nach dem Studium oder nach der Ausbildung zurückkommen in die Uckermark. Dafür muss man Ihnen auch die Chance und gute Perspektiven in den Regionen bieten.
Auch im Hinblick auf den Kinderschutz könnten die beispielhaften Angebote in der Uckermark noch flächendeckender ausgebaut werden, so dass diese für Familien und Fachkräfte in allen Regionen leicht erreichbar sind.

 

Nächste Folge

 

Anke Heiden spielt den Gelben Ball weiter an Ulrike Aust und Martin Mehner , Erziehungs- und Familienberater in der Beratungsstelle „Lichtblick“ in Prenzlau.

Beide sind für di Schule wichtige und sehr kompetente Ansprechpartner in Fragen zum Kinderschutz und auch vertrauensvolle Berater, die sie den Eltern bei Erziehungsproblemen oder Konflikten weiter empfehlen.

Anke Heiden will von Ulrike Aust und Martin Mehner wissen:

Wo sehen Sie eine gute Weiterentwicklung im Kinderschutz im Landkreis Uckermark oder an welche Ressourcen man hier anknüpfen kann?

Sie wollen das Interview mit Ulrike Aust und Martin Mehner nicht verpassen? Dann melden Sie sich hier für unseren kostenlosen Info-Service an.


Interview:
Jeanette Schmieder, Start gGmbH

Foto:
Eugen Bode, bodegrafie

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